Neue BMW R 12 - mehr drin als gedacht (2024)

BMW Motorrad bringt mit der neuen R 12 einen entspannten Cruiser für jeden Tag auf die Straße. Gegenüber der BMW R 12 nineT fällt das schlichte Basismodell etwas in der Beliebtheit ab, dabei hat es eine Menge Talente, wie der Test zeigt.

Eher ein Mauerblümchendasein spielt bei BMW Motorrad das Basismodell der R 12-Reihe. Das als klassischer Cruiser konzipierte Fahrzeug für rund 14.500 Euro unterscheidet sich sehr deutlich von der höherwertigen und gut 3000 Euro teureren R 12 nineT.

Mit Cruisern hat BMW bekanntlich nicht nur gute Erfahrungen gemacht. Insbesondere die R 1200 C, gebaut von 1997 bis 2004, schaffte es nie aus der kleinen Nische heraus, in die sie mit dem damals noch mächtigen Telelever und dem gerade mal 60 PS leistenden Boxermotor gefahren war.

1170 Kubik und 95 PS für nur 227 Kilo

Das ist bei der neuen R 12 anders, auch wenn sie, markentypisch, ebenfalls von einem Boxertriebwerk angetrieben wird. Es handelt sich um den 1170 Kubikzentimeter großen Vierventilmotor, der bei 6500 Touren 70 kW/95 PS leistet. Das sind zwar 14 Pferdestärken weniger, als der ansonsten identische Motor in der nineT-Version abgibt, doch werden sie in der R 12 nicht vermisst: Das maximale Drehmoment liegt mit 110 Nm auf nahezu gleichem Niveau wie beim Schwestermodell (115 Nm), womit ein mehr als respektables Niveau erreicht wird. Und bei einem klassischen Cruiser ist sattes Drehmoment ohnehin deutlich wichtiger als schiere Leistung.

Der Testverbrauch von fünf Litern pro 100 Kilometer geht in Ordnung. Nach 190 zügig gecruisten Kilometern erscheint eine Tankaufforderung in Signalgelb.

"Rock" und "Roll" zur Auswahl

Das Triebwerk ist bestens abgestimmt und freudvoll zu fahren. Leistung satt ist bei jeder Drehzahl oberhalb des Leerlaufs gegeben, die Bezeichnungen für die beiden Fahrmodi sind gut getroffen: Die Gasannahme in "Roll" ist sanft, in "Rock" deutlich zackiger. Beim ersteren Modus lässt sich absolut entspannt gleiten, bei "Rock" sind auch cruiser-untypische Fahrmanöver leicht möglich.

Die radialen Vierkolben-Monoblocksättel vorn sind feine Ware, die Verzögerung ist top. Hinten gibt es eine weitere, gut dimensionierte Scheibe. Die Kupplung ist ebenfalls gut dosierbar und leichtgängig. Sie harmoniert bestens mit dem gut gestuften, präzise schaltbaren Sechsganggetriebe. Kurven-ABS und dynamische Traktionskontrolle sind mittlerweile selbstverständlich.

Kurze Federwege

Alles gut also auf der Antriebsseite. Dasselbe lässt sich auch vom Chassis sagen, obwohl die Federwege gegenüber der nineT zugunsten niedrigerer Sitzhöhe um drei Zentimeter, nämlich von zwölf auf neun Zentimeter reduziert worden sind. Erst wenn der Asphalt unter den dicken Rädern cruiser-untypisch wird, sind die geringeren Federwege spürbar.

Die Fahrwerksabstimmung geht insgesamt voll in Ordnung. Sie ist keineswegs lasch, sondern lässt auch forciertes Kurvenfahren zu, ohne dass Instabilitäten auftreten. Dass angesichts der geringeren Bodenfreiheit irgendwann die Fußraste kratzt, sei der R 12 verziehen - die Quadratur des Kreises gelingt halt auch in München nicht.

Das Leergewicht von 227 Kilogramm stört nicht im Geringsten, sodass die R 12 mit den satten Reifengrößen 100/90-19 und 150/80-16 guten Gewissens als handlich und kurvenfreudig bezeichnet werden darf.

Grund- und Sonderausstattung

Serienmäßig wird die R 12 mit einem einzelnen Rundinstrument geliefert, das eine halbrunde Skala plus ein digitales Anzeigefeld beinhaltet. Es harmoniert gut mit dem puren Erscheinungsbild des Motorrads. Insofern waren wir angesichts des als Sonderausstattung montierten Micro-TFT-Displays skeptisch. Passt das zum Typ? Wir haben uns schnell angefreundet, denn die Anzeigen sind sehr klar - und reduziert.

Auto 13.04.24

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Ein Taster links am Lenker schaltet nacheinander alle möglichen Anzeigen durch. Stets zu sehen sind zudem die aktuelle Geschwindigkeit und ein schmaler Drehzahlbalken. Wer will, kann sogar nur die Tempoanzeige aufrufen - noch weniger lässt der Gesetzgeber nicht zu.

Pur sind eine ganze Reihe von Fahrzeugdetails. So ist der Scheinwerfer kreisrund, natürlich vom Typ LED und, dann nicht mehr pur, auf Wunsch auch mit Kurvenlicht. Serienmäßig wird die R 12 ohne jeglichen Windschutz geliefert. Wer einen Windschild will, kriegt ihn gegen Zuzahlung. Ebenfalls nur auf Wunsch wird ein Soziussitz samt Fußrasten montiert - die Serien-R 12 ist für Solisten ausgelegt.

Zu weit gegangen ist BMW nach unserer Ansicht auf dem Reduzierungs-Weg beim "Keyless Ride", der schlüssellosen Bedienung: Für das etwas hakelige Lenkschloss und den Tankverschluss wird nämlich stets der Zündschlüssel benötigt, allein die Anlassprozedur läuft auf Knopfdruck. Diese Auslegung erscheint uns krude.

Ansonsten haben wir nichts zu meckern: Die verchromten Doppelrohre der Auspuffanlage sind stimmig und klingen sonor, ohne böse zu lärmen, die Spiegel zeigen ein gutes Bild, die Sitzposition ist entspannt, dabei nicht inaktiv.

Tief in die Trickkiste gegriffen hat BMW bei den Individualisierungsmöglichkeiten. Sie reichen sie von 719-Gußrädern über Lenker, Sitze, Handhebel, Lenkerendenspiegel, speziellen Zylinderhauben oder einem Halter fürs Smartphone bis zu einem Heckabschluss in Silber. Wer hier ordentlich zugreift, kann den Grundpreis von 14.460 Euro auf über 23.000 Euro treiben.

Fazit

Man kann aber auch mit einer "puren" BMW R 12 großen Spaß haben, insbesondere, wenn man das Glück hat, in einer hügeligen Gegend mit gut ausgebauten Straßen zu leben, auf denen sich der Verkehr nicht allzu oft drängt. Dann schlägt die ganz große Stunde der BMW R 12.

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Zu unserer Überraschung liefert BMW mit diesem feinen Modell nämlich eine Art Motorrad, die Harley-Davidson nicht mehr im Programm hat: einen puren, klassischen Cruiser in der Art der leider verblichenen Sportster 1200. Wer hätte das gedacht.

Technische Daten BMW R 12

  • Motor: Luft-/ölgekühlter Zweizylinder-Viertakt-Boxermotor, 4 Ventile pro Zylinder, DOHC, 1170 ccm Hubraum, 70 kW/95 PS bei 6500 U/min., 110 Nm bei 6000 U/min; Einspritzung, 6-Gang-Getriebe, Kardan
  • Fahrwerk: Stahl-Gitterrohrrahmen, Motor mittragend; 45 mm Upside-down-Telegabel, 90 mm Federweg; Aluminiumguss-Einarmschwinge mit Momentabstützung (BMW Paralever) mit WAD-Zentralfederbein hinten, Vorspannung und Zugstufendämpfung einstellbar, 90 mm Federweg; Leichtmetall-Gussräder; Reifen 100/90-19 (vorn) bzw. 150/80-16 (hinten). 31 cm Doppelscheibenbremse vorn, 26,5 cm Einscheibenbremse hinten
  • Assistenzsysteme: Kurven-ABS, schräglagenaktive Traktionskontrolle DTC, Motor-Schleppmomentregelung MSR, zwei Fahrmodi ("Roll", "Rock"), autom. Blinkerrückstellung, Keyless Ride (ohne Lenkschloss u. Tankdeckel); a. W. intell. Notruf, Schaltassistent, Berganfahrhilfe, Tempomat, Smartphone-Integration und Headlight Pro mit adapt. Kurvenlicht
  • Maße und Gewichte: Radstand 1,52 m, Breite 83 cm, Sitzhöhe 75,4 cm, Gewicht fahrfertig 227 kg, Zuladung 203 kg; Tankinhalt 14 l
  • Fahrleistungen: 0-100 km/3,9 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit über 200 km/h. Verbrauch lt. Norm 5,1 Liter/100 km, Verbrauch im Test 5,0 Liter/100 km; Reichweite circa 275 km
  • Farben: Schwarz, Rot, Silbermetallic-Schwarz-Gold (Thorium)
  • Preis: ab 14.460 Euro
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